Dass wir ein Plastik-Problem haben, liegt auf der Hand. Doch wirklich weniger werden die ganzen Verpackungen trotzdem nicht. Bio Lebensmittel werben damit, besonders nachhaltig und gut für die Umwelt zu sein. Dennoch wird ein Großteil der Produkte in Kunststoff eingehüllt. Bio und Plastik – passt das denn überhaupt zusammen? Auf der Suche nach umweltfreundlichen Verpackungen.
Wie Du vielleicht bereits auf dem allmydeer-Instagram-Account mitbekommen hast, war ich Mitte Februar auf der BIOFACH/VIVANESS in Nürnberg unterwegs. Das ist die Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel und Naturkosmetik. Anstatt auf Produktneuheiten (was gibt es heutzutage noch nicht?) waren meine Augen eher auf die Verpackungen der ausgestellten Produkte gerichtet. Seit Jahren “bemühe man sich um Lösungen”, um die Plastikverpackungen zu reduzieren – aber wirkliche Taten folgten bislang kaum. Dieser Artikel kann der ganzen Verpackungsproblematik in keinster Weise gerecht werden. Aufgrund einiger Rückfragen von Leser*innen werden einzelne Aspekte aufgegriffen und näher erläutert.
Bio-Obst und Gemüse in Plastik
Besonders in konventionellen Supermärkten sowie Discountern fällt auf, dass die Bio-Ecke der Obst- und Gemüseabteilung ein nahezu flächendeckendes Kunstoffkleid trägt – von den Äpfeln über die Tomaten bis hin zu den Bananen. Warum ausgerechnet die Bio-Abteilung in Plastik eingepackt wird, hat verschiedene Gründe:
- Verwechslungen vermeiden: bietet ein Supermarkt sowohl konventionelle als auch biologische Ware an, muss es für Kunden*innen sowie Kassierer*innen eindeutig erkennbar sein, ob die Gurke nun bio ist oder nicht.
- Kontamination: die Verpackungen sollen vorbeugen, dass Bio-Ware mit Pestizid-Rückständen von konventionellen Produkten in Berührung kommt.
- Transport: bei “Discounter-Bio” steht Regionalität oftmals nicht an erster Stelle. Deshalb werden viele Produkte importiert und müssen dafür verschiedene Stationen durchlaufen. Die Verpackung soll sie dabei schützen.
- Weniger Volumen: Das Bio-Segment nimmt in Supermärkten nur einen kleinen Teil des Obst- und Gemüseangebots ein. Daher ist es zur Kennzeichnung für die Supermarktketten preisgünstiger, die Bio-Produkte anstatt die konventionelle Ware in Plastik zu verpacken.
Die Diskussion, ob die nun die unverpackte konventionelle Gurke jetzt besser ist als die eingeschweißte Bio-Gurke, würde den Rahmen dieses Beitrag sprengen. Positiv zu vermerken ist, dass auf Druck der Öffentlichkeit vermehrt Lasertechniken zur Kennzeichnung von beispielsweise Mangos, Kürbissen oder Süßkartoffeln eingesetzt werden. Auch die Supermarktkette REWE hat reagiert und bietet jetzt das ganze Jahr über Bio-Gurken mit einem kleinen Aufkleber anstatt Plastikummantelung an. Das Plastik-Bio-Dilemma in der Obst- und Gemüseabteilung lässt sich vermeiden, indem man soweit es geht Bioläden aufsucht, die ausschließlich biologisches Sortiment führen.
Bio bedeutet nicht Zero Waste
In dem Beitrag über die Notwendigkeit von Bio Produkten habe ich anhand der umstrittenen Gurke in Plastik bereits angeschnitten, was Bio grundsätzlich ausmacht. Die Bio-Zertifizierung ist keine Verpflichtung zu besonders umweltfreundlicher Verpackung. Konsequenterweise müsste aus der Motivation, umweltfreundlich und möglichst ressourcensparend zu agieren, auch eine nachhaltige Verpackung der Produkte folgen. Dass unverpackt grundsätzlich die beste Lösung ist, bleibt außer Frage. Allerdings werden wir auf kurze Zeit nicht um Verpackungen herumkommen.
Die Fakten
Jährlich werden weltweit 322 Millionen Tonnen Plastik hergestellt. Somit hat sich das Produktionsvolumen seit 1950 verzweihundertfacht. Prognosen zufolge soll die Plastikproduktion weiter ansteigen. (Quelle: FAZ)
Die Alternativen: Papier statt Plastik
Papier nimmt fast die Hälfte des deutschen Verpackungsmülls ein. Es dient jedoch oft nur als Umverpackung und verleiht einem bereits verpackten Produkt nochmal einen ansprechenden Marketinganstrich. Ob Zahnpasta oder Tiefkühlpizza – die eigentliche Plastikverpackung kommt erst im Karton zum Vorschein. Reicht Papier nicht als Verpackung? Holzfaser kommen bei feuchten, flüssigen sowie öligen Produkte schnell an ihre Grenzen. Machbar sind Papierhüllen aber auf jeden Fall bei Trockenware wie Getreide, Mehl, Nudeln, Reis und Zucker. Das beweist beispielsweise Alb-Gold. Der Nudelhersteller präsentierte auf der Messe ausgewählte Bio-Nudelsorten in 100 % Papier verpackt, unbeschichtet und mit wasserlöslicher Farbe bedruckt – das sei in Deutschland bis jetzt einzigartig. An alle Unternehmen: BITTE MEHR DAVON!

© albgold.de
Glas statt Plastik
Auf die Frage, warum denn kein Glas als Verpackungsmaterial in Frage komme, bekam ich durch die Bank zwei Antworten: Einerseits sei das Recycling von Glas extrem energieintensiv und die CO2 Emissionen beim Transport aufgrund der größeren Masse höher als vergleichsweise bei Kunstoff. Diese Argumente sind richtig, aber bilden eben auch nur eine Seite der Medaille. Glas ist gut recycelbar und der Aufbereitungsprozess ist ressourcenschonender als neues Glas herzustellen. Außerdem wäre das Energie-Argument mit der ausschließlichen Nutzung von Ökostrom auch abzumildern. An dieser Stelle möchte ich auf den sehr gut recherchierten Artikel “Glas oder Plastik? Was ist nachhaltiger?” von Jenni verweisen. Sie hat den Vergleich von Glas und Plastik sehr anschaulich und ausführlich dargestellt.
Heyho Granola verzichtet beispielsweise auf Plastik und setzt auf Müsli im Glas. Sie planen bereits, ihr Müsli auch in Unverpackt-Läden anzubieten, sodass das Glas immer wieder aufgefüllt werden kann.
Verbundstoffe – besser als Plastik?
Wenn Du bereits den Artikel über’s Sojamilch-Selber-Machen gelesen hast, weißt Du, dass Verbundstoffe wie Tetra Paks sehr schwer zu recyceln sind. Sie bestehen aus mindestens zwei Materialien, die nicht ohne Weiteres voneinander getrennt werden können. Ein anschauliches Beispiel, dass diese Verpackungen nicht wirklich eine Lösung sind, lieferte koawach auf der BIOFACH. Der fairtrade Bio-Kakao war bislang in einer Verbundverpackung aus drei verschiedenen Schichten verpackt (links im Bild). Die äußere Papierschicht lässt auf den ersten Blick eine umweltfreundlichere Verpackung vermuten als die Kunststoffverpackung (recht im Bild). Mit der neuen Verpackung aus Kunststoff könne jedoch laut koawach im Vergleich zur alten Verpackung 40% Material eingespart werden.

©koawach
Was ist eigentlich mit Bioplastik?
Auch auf der BIOFACH war das sogenannte Bioplastik vertreten: Folien aus Holzfasern, Kaffeekapseln aus Maisstärke, Flaschen aus Zuckerrohr bis hin zu Hundekotbeutel aus Kartoffelschalen. Immer häufiger werden Kunststoffe, die von der Materialbeschaffenheit her Plastik sehr ähneln, mit “aus nachwachsenden Rohstoffen” oder “biologisch abbaubar” gekennzeichnet. Was auf den ersten Blick wie die perfekte Lösung scheint, wirft im Detail viele Fragen und Probleme auf. Zunächst gibt es ähnlich wie bei für Naturkosmetik keine gesetzliche Definition für Bioplastik. Bislang gilt es bei biologischen Kunststoffen zu unterscheiden, ob das Material aus nachwachsenden Rohstoffen besteht oder kompostierbar ist. Oftmals ist beides der Fall – das muss aber nicht sein. Basiert ein Kunststoff auf nachwachsenden Rohstoffen, bedeutet es nicht automatisch, dass dieser auch biologisch abbaubar ist. Außerdem gibt es auch viele Mischungen aus biobasierten sowie erdölbasierten Kunststoffen, was das Recycling schwer macht.
Bioplastik benötigt Anbauflächen
Biobasierter Kunststoff wird unter anderem aus Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr hergestellt. Dafür werden große Anbauflächen benötigt, die gegebenenfalls mit Pestiziden belastet werden. Außerdem steigt die Gefahr, dass dafür weltweit mehr Waldflächen gerodet werden. Auch im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung ist es fragwürdig, Nahrungsmittel zu (unnötigen) Verpackung zu verarbeiten. Auf den ersten Blick vertretbar erscheint es allerdings, biobasiertes Plastik aus Abfallprodukten wie beispielsweise Kartoffelschalen herzustellen. Dem ist allerdings hinzuzufügen, dass Biokunstoff allein das Verpackungsproblem nicht beseitigt. Es macht keinen Sinn jetzt alles darin zu verpacken.
Bioplastik braucht lange im Abbau
Biologisch abbaubare Kunststoffe zersetzen sich oft erst bei sehr hohen Temperaturen, die im gewöhnlichen Hauskompost nicht erreicht werden können. ( Gegenteiliges sei bei den Zellulose-Folien von Sonnentor sowie The Nu Company der Fall) Landet die Folie tatsächlich in einer industriellen Kompostieranlage lauert bereits die nächste Hürde. Am Stand vom Bio-Verpackungsspezialist erfuhr ich, dass der Zyklus bei industriellen Kompostieranlagen grundsätzlich acht Wochen betragen würde. Biologisch abbaubarer Kunststoff benötige jedoch durchschnittlich zwölf Wochen, um abgebaut zu werden. Einige Anlagen hätten den Zyklus daher bereits verlängert, andere wiederum nicht. Ob Bioplastik also in die braune Tonne darf, sollte beim örtlichen Abfallwirtschaftsbetrieb erfragt werden.
Lesenswert: ‘Why biodegradable/bio plastics suck’ von Milena Glimbovski
Biobasierte Kunststoffe reagieren mit Licht
Biobasierte Kunststoffe reagieren häufig mit UV-Licht. Kathrin von der Antersdorfer Bio-Mühle erzählte mir, dass eine Folie auf Maisbasis für die Sichtfenster ihrer Produkte lediglich 12 Monate haltbar sein würde – das Produkt an sich aber 24 Monate. Andersrum bedeutet das auch, dass die Folie an dunkeln Orten ebenfalls nicht vollständig verrotten würde.
Produktionsstätten sind auf Plastik ausgelegt
Was bei kleinen Unternehmen, die eigene Produktionsstätten besitzen, nicht vergessen werden darf: Die Maschinen sind oft auf Plastikverpackungen ausgelegt und funktionieren nicht mit vergleichsweise umweltfreundlichen Materialen. Das soll natürlich keine Rechtfertigung dafür sein, nichts ändern zu müssen. Jedoch sind neue Produktionsanlagen mit hohem Kosten verbunden.
Fazit: Verpackung ist nie optimal
Nach zahlreichen Gesprächen, diversen Meinungen und noch mehr Problemstellungen rauchte mit gehörig der Kopf und die Fragezeichen kreisten wirrer denn je. Eines steht fest: Die optimale Verpackung gibt es (noch) nicht. Bei dieser ganzen Verpackungsdiskussion dürfen wir allerdings eines nicht außer Acht lassen: Verpackungen und damit Müll müssen DRASTISCH REDUZIERT werden – egal wie nachhaltig die Verpackung auch sein mag.
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