Wenn man anfängt, sich mit einem müllfreien Leben zu beschäftigen, fühlt es sich schnell an, wie ein Fass ohne Boden. Alana Zubritz und Ina Choi-Nathan zeigen, dass (fast) alles ohne Müll möglich ist – auch in der Gastronomie. Seit Oktober 2017 führen sie das Hamburger Zero Waste Café ‚In guter Gesellschaft’. Ich habe Alana dort besucht und mit ihr gesprochen. Über Ihr Konzept, was Zero Waste eigentlich bedeutet und was jede*r von uns tun kann.
Alana, als ich zum ersten Mal von ‚In guter Gesellschaft’ gehört habe, bin ich sofort am Namen hängen geblieben – der gibt ja Raum für Interpretation…
Das stimmt. In erster Linie ist natürlich die Gesellschaft im Sinne eines netten Freundes- oder Bekanntenkreises gemeint. ‚In guter Gesellschaft’ kann aber auch politisch verstanden werden. Genau diese Doppeldeutung hat uns an dem Namen besonders gefallen. Wir möchten zeigen, dass wir eben neue Wege gehen. Die erste Idee war ‚In neuer Gesellschaft’ oder ‚Neue Welt’. Allerdings sollte es nicht zu utopisch klingen, sondern ein netter Name sein, der alle anspricht.
Wie bist Du denn zu Zero Waste gekommen und schließlich zusammen mit Ina auf die Idee, ein müllfreies Café zu eröffnen?
Das war natürlich ein Prozess. Ich habe einen Master in nachhaltigem Design in England gemacht. Danach habe ich Workshops im nachhaltigen Bereich gegeben und mich mit Freunden für mehr Umweltbewusstsein engagiert. Wir wollten den Nachhaltigkeitsgedanken entstauben und etwas Cooles daraus machen. Dazu haben wir unter anderem Kleidertausch Cafés organisiert. Es sollte darum gehen, den Spaß daran zu entdecken.
Und Ina ist eine langjährige Freundin von mir. Sie hat mich bei einem Kaffee angefixt, dass wir doch mal ein Projekt zusammen angehen könnten. So war die erste Idee, ein permanentes Kleidertausch Café zu eröffnen. Während wir uns das Konzept überlegten, war ich in Brighton bei ehemaligen Kommilitonen zu Besuch. Über einen Freund bin ich dort auf das ‚ Silo’, dem ersten Zero Waste Restaurant Europas, aufmerksam geworden. Das Konzept fand ich so toll und habe mich lange mit dem Inhaber über die Idee dahinter unterhalten. Als ich dann zurückkam, war auch Ina total begeistert von dem Konzept.
Zero Waste ist ja ein sehr weiter Begriff – was bedeutet Zero Waste für Dich?
Man muss es als Leitfaden sehen. Zero Waste darf nicht als absolutes Dogma verstanden werden; als müsste man von heute auf morgen alles ändern und perfekt machen. Man schaut erstmal, wo denn eigentlich das Problem bei ‚waste’ ist. Da ist natürlich an oberster Stelle Plastik, weil es nicht biologisch abbaubar ist, sondern in mikroskopisch kleine Teilchen zerfällt. Im weiteren Schritt schaut man sich die weiteren Verpackungen an – TetraPaks zum Beispiel. Das sind Verbundstoffe, die nicht recycelbar sind, weil sie zusammengeklebt sind. Und dann fängt man eben an, sich Gedanken über „bösen Müll“ und „guten Müll“ zu machen. Die Natur produziert „guten Müll“ – Stichwort „Cradle to cradle“. Nehmen wir zum Beispiel den Kirschbaum. Dieser produziert sehr viele Blüten und Früchte, aber alles geht wieder zurück und wir wieder als Nährstoff verwendet. Und genau in diesem Kreislauf haben wir dann angefangen alles zu betrachten.
Wie setzt Ihr diesen Kreislaufgedanken dann konkret um?
Wir schauen immer, was biologisch abbaubar ist. Gerade sparen wir sogar auf unser eigenes Kompostiergerät, das ist sehr teuer. Bis dahin bedienen wir uns klassisch der Bio-Tonne (lacht). Wobei das ja mittlerweile als kostbarer Rohstoff erkannt wurde.
Als nächstes haben wir geschaut, welche Verpackungen „ok“ sind. Pfandbehälter zum Beispiel sind sowieso super. Papier geht für uns auch durch, denn es ist gut recycelbar und theoretisch biologisch abbaubar. Die Rohstoffe kaufen wir daher viel in 25 kg Papiersäcken. Altglas versuchen wir tatsächlich so weit es geht zu vermeiden. Da haben wir nur noch Rum und Wodka. Der Rest ist alles Mehrweg – selbst Essig, Wein und Gin. Man richtet sich dann eben nach den Lieferanten und schaut was möglich ist. Nach diesem System haben wir dann unsere Speisekarte gestaltet.
Hört sich ja eigentlich ganz einfach an..
Natürlich ist alles ein Weg. Gewürze sind zum Beispiel noch so ein Problem. Da haben wir uns mittlerweile entschieden, große Plastiksäcke zu kaufen. Dafür reicht es dann 2 Jahre und wir können den Müll enorm reduzieren. Es geht wie gesagt nicht um das Dogma, sondern um den Weg dorthin.
Wir legen einfach viel Wert auf das frisches Kochen und Zubereiten. Wir machen viel selber, Marmeladen, Aufstriche, vegane Milch, und greifen nicht auf Convenient-Produkte zurück. Dadurch haben wir einen viel geringeren Wareneinsatz, weil wir nur die Rohstoffe kaufen. Aber es muss natürlich alles vorbereitet werden – dafür schaffen wir mehr Arbeitsplätze.
Stößt ihr dabei trotzdem auch an Grenzen?
Klar, es gibt auch ein paar Ausnahmen. Verbandsmaterial zum Beispiel, es schneidet sich ja auch mal jemand in den Finger. Oder eben auch der Müll, den die Gäste liegen lassen – darauf haben wir natürlich keinen Einfluss.
Für unseren gastronomischen Geschirrspüler benötigen wir spezielle Reinigungsmittel, die eben in Plastikkanistern geliefert werden. Selber herstellen kann man die Mittel leider nicht. Da haben wir auch schon mehrmals mit dem Hersteller gesprochen, ob er sie nicht zurücknehmen könnte. Das wurde bis jetzt abgelehnt – da kommt man halt an Grenzen.
Reinigungsmittel sind ein gutes Stichwort. Viele Menschen haben bei selbst gemachten Sachen in Haushalt oft Angst um die Hygiene. Wie handhabt Ihr das im Café?
Beim Gesundheitsamt hatten wir tatsächlich etwas Angst. Wir machen eben unsere Essigreiniger selber und putzen viel mit Soda und Zitronensäure. Da waren wir uns nicht sicher, ob das durchgeht. In der Schulung haben wir dann allerdings erfahren, dass das Gesundheitsamt sogar Essigreiniger eher begrüßt als die gängigen Glasreiniger. Das hat uns natürlich sehr gefreut.
Du hast ja bereits die Gäste erwähnt. Wie reagieren die denn auf Euer Konzept?
Also die Resonanz ist durchweg positiv. Viele kommen natürlich wegen des Konzepts, aber einige wissen auch erstmal gar nicht, dass sie in einem Zero Waste gelandet sind. Dann muss man manchmal schon erklären, warum da Essen jetzt nicht nach 10 Minuten auf dem Tisch steht oder die vegane Milch jetzt alle ist. Dann öffnet sich plötzlich der Blick und sie entdecken die Stoffservietten und Edelstahl-Strohhlame.
Hast du konkrete Tipps, wie man als Gast grundsätzlich in Cafes/ Restaurants Müll vermeiden kann?
Also natürlich erstmal seinen eigenen Müll nicht liegen lassen. Dann kann man immer sehr gut auf to go verzichten. Wenn ich mir beim Asiaten Sushi hole, dann kann ich auch meine eigene Dose mitbringen oder es mal dort essen. To go macht denke ich das meiste aus. Ansonsten kann man auch immer wieder bereits bei der Bestellung betonen, dass man keinen Strohhalm möchte, und auch auf Papierservietten so gut es geht verzichten. Es sind kleine Dinge, die aber eine große Wirkung haben können.