17. Februar 2019

„Zero Waste ist kein Dogma, sondern ein Weg“ – ein Café ohne Müll im Interview

Alana und Ina betreiben das Hamburger Zero Waste Café. Im Interview reden wir über Zero Waste, ihr Konzept und was wir vom Zero Waste Café lernen können.

Verena Hirsch
Verena Hirsch

Wenn man anfängt, sich mit einem müll­frei­en Leben zu beschäf­ti­gen, fühlt es sich schnell an, wie ein Fass ohne Boden. Alana Zubritz und Ina Choi-Nathan zeigen, dass (fast) alles ohne Müll möglich ist – auch in der Gas­tro­no­mie. Seit Oktober 2017 führen sie das Ham­bur­ger Zero Waste Café ‚In guter Gesell­schaft’. Ich habe Alana dort besucht und mit ihr gespro­chen. Über Ihr Konzept, was Zero Waste eigent­lich bedeutet und was jede*r von uns tun kann.

Gemütliche Bänke als Sitzgelegenheiten

Alana, als ich zum ersten Mal von ‚In guter Gesell­schaft’ gehört habe, bin ich sofort am Namen hängen geblie­ben – der gibt ja Raum für Interpretation…

Das stimmt. In erster Linie ist natür­lich die Gesell­schaft im Sinne eines netten Freundes- oder Bekann­ten­krei­ses gemeint. ‚In guter Gesell­schaft’ kann aber auch poli­tisch ver­stan­den werden. Genau diese Dop­pel­deu­tung hat uns an dem Namen beson­ders gefallen. Wir möchten zeigen, dass wir eben neue Wege gehen. Die erste Idee war ‚In neuer Gesell­schaft’ oder ‚Neue Welt’. Aller­dings sollte es nicht zu utopisch klingen, sondern ein netter Name sein, der alle anspricht.

Wie bist Du denn zu Zero Waste gekommen und schließ­lich zusammen mit Ina auf die Idee, ein müll­frei­es Café zu eröffnen?

Das war natür­lich ein Prozess. Ich habe einen Master in nach­hal­ti­gem Design in England gemacht. Danach habe ich Work­shops im nach­hal­ti­gen Bereich gegeben und mich mit Freunden für mehr Umwelt­be­wusst­sein enga­giert. Wir wollten den Nach­hal­tig­keits­ge­dan­ken ent­stau­ben und etwas Cooles daraus machen. Dazu haben wir unter anderem Klei­der­tausch Cafés orga­ni­siert. Es sollte darum gehen, den Spaß daran zu entdecken.

Und Ina ist eine lang­jäh­ri­ge Freundin von mir. Sie hat mich bei einem Kaffee angefixt, dass wir doch mal ein Projekt zusammen angehen könnten. So war die erste Idee, ein per­ma­nen­tes Klei­der­tausch Café zu eröffnen. Während wir uns das Konzept über­leg­ten, war ich in Brighton bei ehe­ma­li­gen Kom­mi­li­to­nen zu Besuch. Über einen Freund bin ich dort auf das ‚ Silo’, dem ersten Zero Waste Restau­rant Europas, auf­merk­sam geworden. Das Konzept fand ich so toll und habe mich lange mit dem Inhaber über die Idee dahinter unter­hal­ten. Als ich dann zurück­kam, war auch Ina total begeis­tert von dem Konzept.

Zero Waste ist ja ein sehr weiter Begriff – was bedeutet Zero Waste für Dich?

Man muss es als Leit­fa­den sehen. Zero Waste darf nicht als abso­lu­tes Dogma ver­stan­den werden; als müsste man von heute auf morgen alles ändern und perfekt machen. Man schaut erstmal, wo denn eigent­lich das Problem bei ‚waste’ ist. Da ist natür­lich an oberster Stelle Plastik, weil es nicht bio­lo­gisch abbaubar ist, sondern in mikro­sko­pisch kleine Teilchen zerfällt. Im weiteren Schritt schaut man sich die weiteren Ver­pa­ckun­gen an – Tetra­Paks zum Beispiel. Das sind Ver­bund­stof­fe, die nicht recy­cel­bar sind, weil sie zusam­men­ge­klebt sind. Und dann fängt man eben an, sich Gedanken über „bösen Müll“ und „guten Müll“ zu machen. Die Natur pro­du­ziert „guten Müll“ – Stich­wort „Cradle to cradle“. Nehmen wir zum Beispiel den Kirsch­baum. Dieser pro­du­ziert sehr viele Blüten und Früchte, aber alles geht wieder zurück und wir wieder als Nähr­stoff ver­wen­det. Und genau in diesem Kreis­lauf haben wir dann ange­fan­gen alles zu betrachten.

Tresen

Wie setzt Ihr diesen Kreis­lauf­ge­dan­ken dann konkret um?

Wir schauen immer, was bio­lo­gisch abbaubar ist. Gerade sparen wir sogar auf unser eigenes Kom­pos­tier­ge­rät, das ist sehr teuer. Bis dahin bedienen wir uns klas­sisch der Bio-Tonne (lacht). Wobei das ja mitt­ler­wei­le als kost­ba­rer Rohstoff erkannt wurde.

Als nächstes haben wir geschaut, welche Ver­pa­ckun­gen „ok“ sind. Pfand­be­häl­ter zum Beispiel sind sowieso super. Papier geht für uns auch durch, denn es ist gut recy­cel­bar und theo­re­tisch bio­lo­gisch abbaubar.  Die Roh­stof­fe kaufen wir daher viel in 25 kg Papier­sä­cken. Altglas ver­su­chen wir tat­säch­lich so weit es geht zu ver­mei­den. Da haben wir nur noch Rum und Wodka. Der Rest ist alles Mehrweg – selbst Essig, Wein und Gin. Man richtet sich dann eben nach den Lie­fe­ran­ten und schaut was möglich ist. Nach diesem System haben wir dann unsere Spei­se­kar­te gestaltet.

Hört sich ja eigent­lich ganz einfach an..

Natür­lich ist alles ein Weg. Gewürze sind zum Beispiel noch so ein Problem. Da haben wir uns mitt­ler­wei­le ent­schie­den, große Plas­tik­sä­cke zu kaufen. Dafür reicht es dann 2 Jahre und wir können den Müll enorm redu­zie­ren. Es geht wie gesagt nicht um das Dogma, sondern um den Weg dorthin.

Wir legen einfach viel Wert auf das frisches Kochen und Zube­rei­ten. Wir machen viel selber, Mar­me­la­den, Auf­stri­che, vegane Milch, und greifen nicht auf Con­ve­ni­ent-Produkte zurück. Dadurch haben wir einen viel gerin­ge­ren Waren­ein­satz, weil wir nur die Roh­stof­fe kaufen. Aber es muss natür­lich alles vor­be­rei­tet werden – dafür schaffen wir mehr Arbeitsplätze.

Stößt ihr dabei trotzdem auch an Grenzen?

Klar, es gibt auch ein paar Aus­nah­men. Ver­bands­ma­te­ri­al zum Beispiel, es schnei­det sich ja auch mal jemand in den Finger. Oder eben auch der Müll, den die Gäste liegen lassen – darauf haben wir natür­lich keinen Einfluss.

Für unseren gas­tro­no­mi­schen Geschirr­spü­ler benö­ti­gen wir spe­zi­el­le Rei­ni­gungs­mit­tel, die eben in Plas­tik­ka­nis­tern gelie­fert werden. Selber her­stel­len kann man die Mittel leider nicht. Da haben wir auch schon mehrmals mit dem Her­stel­ler gespro­chen, ob er sie nicht zurück­neh­men könnte. Das wurde bis jetzt abge­lehnt – da kommt man halt an Grenzen.

Rei­ni­gungs­mit­tel sind ein gutes Stich­wort. Viele Menschen haben bei selbst gemach­ten Sachen in Haushalt oft Angst um die Hygiene. Wie handhabt Ihr das im Café?

 Beim Gesund­heits­amt hatten wir tat­säch­lich etwas Angst. Wir machen eben unsere Essig­rei­ni­ger selber und putzen viel mit Soda und Zitro­nen­säu­re. Da waren wir uns nicht sicher, ob das durch­geht. In der Schulung haben wir dann aller­dings erfahren, dass das Gesund­heits­amt sogar Essig­rei­ni­ger eher begrüßt als die gängigen Glas­rei­ni­ger. Das hat uns natür­lich sehr gefreut.

Speisekarte

Du hast ja bereits die Gäste erwähnt. Wie reagie­ren die denn auf Euer Konzept?

Also die Resonanz ist durchweg positiv. Viele kommen natür­lich wegen des Konzepts, aber einige wissen auch erstmal gar nicht, dass sie in einem Zero Waste gelandet sind. Dann muss man manchmal schon erklären, warum da Essen jetzt nicht nach 10 Minuten auf dem Tisch steht oder die vegane Milch jetzt alle ist. Dann öffnet sich plötz­lich der Blick und sie ent­de­cken die Stoff­ser­vi­et­ten und Edelstahl-Strohhlame.

Hast du konkrete Tipps, wie man als Gast grund­sätz­lich in Cafes/ Restau­rants Müll ver­mei­den kann?

Also natür­lich erstmal seinen eigenen Müll nicht liegen lassen. Dann kann man immer sehr gut auf to go ver­zich­ten. Wenn ich mir beim Asiaten Sushi hole, dann kann ich auch meine eigene Dose mit­brin­gen oder es mal dort essen. To go macht denke ich das meiste aus. Ansons­ten kann man auch immer wieder bereits bei der Bestel­lung betonen, dass man keinen Stroh­halm möchte, und auch auf Papier­ser­vi­et­ten so gut es geht ver­zich­ten. Es sind kleine Dinge, die aber eine große Wirkung haben können.

aktuelle Artikel

Weitere Artikel zum Stöbern

7

Nicht das Richtige gefunden?

ALLMYDEER

Hallo, ich bin Verena!

Ich zeige dir, was Bio wirklich ist und wie lecker regionales und saisonales Essen schmeckt.